2 Kreis des Lebens, Lebenskreis

Feste im Lebenskreis

Wie der Jahreskreis sich aufspannt über den Jahreskreisfesten, so spannt sich heidnisches Leben über den Lebenskreisfesten auf. Diese sind:

1) Kindesannahme

2) Jugendleite

3) Eheleite

4) Totenleite

Die Lebenkreisfeste werden begriffen als eine Art des Treuebundes. Überhaupt dreht sich das ganze heidnische Leben um Treue. Die Treue in Familie, Sippe, Arbeitsplatz, Gesellschaft und die Treue zwischen Menschen, Ahnen und Göttern. Wie Wölfe sich ständig und fortwährend aneinander reiben und schnuppern, oder wie manche Vögel sich gegenseitig bei jedem Anflug auf das Nest symbolische Geschenke bringen, so sind die gemeinsamen Feste zu besonderen Gelegenheiten im heidnischen Leben: Einander immer wieder der Nähe und Geborgenheit versichern, sich nicht verlieren, den anderen nicht aus den Gedanken zu verlieren, und sei er schon seit Jahren tot und begraben.

2.1 Kindesannahme

Selten wird Eltern bei einer Feierlichkeit der eigenen Kinder so das Wasser in den Augen stehen, wie bei diesen Worten. Doch ist Rührseligkeit nicht Ziel noch Inhalt dieses Lebenskreisfestes. Um was geht es also?

Wir schwören Dir die Sippentreue. Dein Lebensweg soll von nun an der unsere sein. Unser Heil werden wir mit Dir teilen. Im Unheil werden wir Dir beistehen. Wir werden Dir treue Gefährten sein und in Liebe und Achtung mit Dir nach einem ehrenhaften Leben streben. (Auszug aus dem Kindesannahmeeid.)

Zunächst mag es ja etwas eigenartig klingen: Ich Nehme mein Kind an? Ist das nicht sowieso klar? Kann man so grausam sein, und sein Kind verstoßen, nicht annehmen? Ganz abgesehen davon, daß es wohl solche Menschen gibt, die ihr Kind nicht annehmen, geht es im Eid der Kindesannahme um etwas anderes: Dem Menschen ist ein kleines Wesen anvertraut. Eine Handvoll Mensch. Abhängig und unerforscht. Unbekannt, bisweilen fremd. Dieser kleine Mensch ist gezeugt, geboren worden. Ist einfach da, jetzt. Nach einiger Zeit, in der Eltern und Familie sich nun neu organisieren, kommt die Zeit einer ersten, deutlichen Erklärung: Einer Erklärung, die nicht einfach irgendwie als „sowieso normal und irgendwie ja selbstverständlich“ gemutmaßt wird, sondern die nun ausdrücklich, feierlich, vor Menschen und Göttern gegeben wird: „Du bist unser gewolltes Kind! Nichts soll uns trennen. Wir stellen uns der Verantwortung, für Dich zu sorgen. Dahinter hat anderes nun an zurückzutreten.“ Ein so hohes Gut, wie das der verantworteten Elternschaft verdient es und braucht es, zum Ausdruck gebracht zu erden, gefeiert zu werden. Ein Zweites tritt in der Kindesannahme hinzu: Die Gemeinschaft.

Die feiernde Gemeinschaft bezeugt nicht nur einfach diesen Eid, sondern tritt mit in die Verantwortung ein, die Eltern in ihrer Elternschaft zu schützen, zu unterstützen und ihre Familie zu achten. Beides: Die Elternschaft und der Schutz durch die Gemeinschaft stellen wir im Opfer vor die Götter und bitten um Kraft, Weisheit und Liebe, um dieser hohen und heiligen Aufgabe gerecht zu werden.

2.2 Jugendleite

Wir kennen aus allen Kulturen am Übergang vom Kind zum Erwachsenen bestimmte Initiationsriten. Rituale, vor denen ein Mensch „Kind“ ist, und nach denen er „Erwachsener“ genannt wird. Im Heidentum nennen wir diesen Ritus „Jugendleite“. Also das Geleit der Gemeinschaft aus der Kindheit heraus und in das Erwachsenenleben hinein. In alter Zeit wurde mit diesem Akt bei Jungs die Wehrhaftigkeit, also letztendlich die Verantwortung über das Töten und den Schutz der Sippe mit diesem Ritual eingeläutet. Mädchen waren heiratsfähig, was auch eine besondere Verantwortung für den Erhalt von Wohlergehen und Frieden bedeutet. (Nicht umsonst sagt man: Der Mann fällt Bäume und baut in der Wildnis ein Haus.... Die Frau ist es, die aus dem Haus eine Heimstatt macht!)

Wenn wir also heute, in unserer modernen Zeit den Schritt der Jugendleite vorbereiten, so muß das zentrale Motiv sein, die Verantwortlichkeit des jungen Erwachsenen in und für die Gemeinschaft und die gesamte Gesellschaft gemeinsam zu reflektieren und neu zu definieren.

Diese Vorbereitung wird von den Eltern und dem Kind geleistet, und – wenn gewünscht – auch von anderen Heiden aus der jeweiligen Bezugsgruppe. Themen können dabei sein:

1) Einen Aufsatz zu schreiben über "Erwachsenwerden".



2) Religiöse Grundbegriffe:

a. Glaubenslehre vs Glauben

b. Religion.

c. Ethik vs Moral.

d. Die religiösen Grundpositionen: Theismus – Atheismus – Agnostik.



3) Einen Text aus dem Havamal durchzuarbeiten und Anknüpfungspunkte im heutigen Leben zu finden.



4) Was bedeutet das Wort "Verantwortung" eigentlich?

a. Wem bin ich zur Treue verpflichtet?

b. Wie erkenne ich meine Verantwortlichkeit?

c. Welche besondere Verantwortung erwächst mir aus meinen Fähigkeiten und Begabungen?



5) Was bedeutet eine Lebensdeutung in dem Licht des Götterglaubens?

a. Warum bin ich, wie ich bin?

b. Das Spannungsfeld zwischen Begabungen, „Schicksal“ und selbstbestimmtem Leben.

c. Was überhaupt ist „Schicksal“

d. Der Heilsbegriff.



6) Was unterscheidet Buchreligionen, Naturreligionen und Atheismus im Ansatz?



7) Wie ist der Zusammenhang zwischen Ruhm - Ehre - Individualismus – Gemeinsinn?



8) Wie funktioniert unser Staat und unsere Gesellschaft?

a. Welche potentiellen Konfrontationen und Konflikte kann es zwischen Heiden und dem Zeitgeist geben? Wie gehe ich damit um?

b . Wenn Heidentum nicht eine Glaubenslehre ist, sondern eine ethische Grundlage, dann kann heidnisches Alltagsleben nicht unbeeinflusst bleiben.



9) Wie ist mein Verhältnis zur Gewalt? im Sinne von: Kriegsdienstverweigerung oder nicht? Notwehr?



10) Letztendlich auch Tod, Leben nach dem Tod, Selbsttötung, Krankheit.....



11) Verhältnis zu anderen Religionsgemeinschaften.



Es sind also eine Vielzahl von Themen, die durchzusprechen sind.

Welche Folgen hat die Jugendleite?

Der junge Mensch wird nun an in die Verantwortung genommen, muß seine Verantwortlichkeiten erkennen. Seine Ehre wird von nun an davon abhängen. Die Antwort der Gemeinschaft auf diese neu übernommene Verantwortung ist das Recht der Mitsprache, daß ab der Jugendleite nun von jedem zu respektieren ist und stärker als in der Kindheit zum Tragen kommt.

Im Alltag werden einem Menschen von der Jugendleite an größere Entscheidungsfreiheiten gegeben. Die Eltern müssen sich daran gewöhnen, vieles nicht mehr bestimmen zu können. Es steht ihm ebenso in noch größerem Maße zu, daß Eltern sich erklären in ihren Entscheidungen.

Wir sehen also, daß, wenn man diese Themen in der Vorbereitung bearbeitet, die Umsetzung des Durchdachten nach der Jugendleite natürlich und sanft den Einstieg in das Erwachsensein begleitet. Oder anders: Wenn ich all das mit meinem Kind durchgesprochen und durchdacht habe, dann verändert sich etwas in dem Zusammensein. Und das soll so ja auch sein.

2.3 Eheleite

In Bearbeitung

2.4 Totenleite

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