Ritualhandreichung

1 Die Götter kennen lernen, mit den Göttern Leben

Wenn Sie auf unsere Seite gekommen sind, weil Sie den Wunsch oder den Ruf verspüren, sich den Göttern zu nähern, sich auf den Weg zu machen und herauszufinden, ob die Verehrung der Götter Germaniens Ihr persönlicher Weg ist, so möchten wir Ihnen hier gerne einige wenige Handreichungen geben, einen Einstieg zu finden. Es gibt im germanischen Heidentum keine geschlossene Liturgie, wie etwa im Katholizismus. Dennoch gibt es einige grundlegende äußere Formen, die wir Ihnen hier als Einstieg in eine eigene Glaubenspraxis vorschlagen möchte.

2 Erste Gedanken und Versuche

Ein immer wieder anzutreffendes Phänomen ist, daß ein Mensch, der sich den Göttern zugewandt hat, alsbald bei seinem ersten Ritualversuch innehält und von folgendem Gedanken heimgesucht wird: „Bin ich eigentlich meschugge? Ich kippe teuren Wein / Met auf den Boden und sage, es sei den Göttern geopfert??? Die schlotzen das doch nicht auf!“ Solcherweise entmutigt verläßt mancher den heilvollen Weg wieder und gibt sich anderen Heilsversprechen hin. Das Opfer ist ein Symbol. „Symbol“ bedeutet: „Ein zusammengefügtes“ (griech: symbállō = zusammenfügen). In einem Symbol fällt also eine Sache mit einer anderen zusammen. Die eine Sache ist ein äußeres Zeichen, die andere ein innerer Vollzug. Ein triviales Beispiel ist der Kuß: In diesem saugenden aufeinanderfügen der Lippen zweier Menschen geschieht in der Art der Wirkhandlung nichts anderes als bei dem Lecken an einem Laternenpfahl: Ich erhöhe mein Infektionsrisiko. Als Symbol spüre ich aber die sich genau in dieser Handlung ereignende Liebe des anderen und meine noch dazu. Die nicht sichtbare oder greifbare Liebe wird plötzlich erfahrbar gemacht in dieser simplen Handlung, durch das Zusammengefügtsein von Zeichen und Vollzug. Genau das tue ich, wenn ich ehrfurchtsvoll Met an einen dafür ausgesuchten Ort gieße in einem Ritual.

2.1 Einfache Rituale

Die Gründe für Rituale können vielfältiger Natur sein: Lebens- oder Jahreskreisfeste, besondere persönliche Situationen oder aber einfach, daß ich die Götter kennenlernen möchte. Mein nachfolgendes Beispiel richte ich darauf aus, daß ich die Götter kennenlernen und mit ihnen meinen Weg beginnen möchte. Ich wende mich daher auch an Wodan, den Herrn des Wissens und der Weisheit, der Heilkunst und der Magie. Was immer es ist, ich mache mich vorher natürlich mit meinen Beweggründen vertraut, wie ich als Mensch mit Verantwortung ohnehin immer einen Grund für mein Tun benennen können sollte. Ich suche mir einen Ort, an dem ich ungestört bin und der auch nach meinem Ritual ungestört bleiben wird. Eine Waldlichtung, ein stiller Ort mitten im Feld, ein angenehmer Ort in meinem Garten... Den Ort schmücke ich mit ein paar Blumen oder Dingen, die mir wertvoll sind. Doch nichts, was ich dort als Opfergabe niederlege, nehme ich je wieder mit. Wer also ein liebgewordenes Bild opfert, hat es für sich verloren. Auch sollte der moderne, aufgeklärte Heide sich klar sein, daß Hinterlassenschaften in der Natur für gewöhnlich von (kleinst-)Lebewesen verzehrt werden. Es sollten also nur naturverträgliche Dinge in die Natur gebracht werden. Daß die Dinge zerfallen oder von den Tieren gegessen werden, tut dem Opfer keinen Abbruch, vielmehr ist das Zurückgeben in den Kreislauf der Natur ein direktes Geben an die Naturgötter. Schließlich ehren wir keinen Gott in einem fernen Himmel, sondern nahe Götter in der Natur selbst. Wichtig ist, daß ich persönlich Ruhe empfinden kann, wo ich bin.

2.1.1 Platzweihe

Wenn ich für mich bin, oder mit einem oder zwei vertrauten Menschen zusammen, dann reicht es, den Platz mit einem Gebet aus dem Profanen herauszulösen und für das Opfer zu reklamieren. Ich größerem Kreise wähle ich persönlich dann ein aufwendigeres Ritual, denn eine Größere Gruppe steht um einen größeren Opferplatz im Kreis und dem trage ich Rechnung, indem ich in allen vier Himmelsrichtungen Donar um den Schutz der Stätte ersuche. Im kleinen Kreis umfasse ich meinen Thorshammer, halte ihn über die Opferstätte und spreche: „Donar, Weihegott Weihe diesen Ort und Schütze ihn. Und wehre allem Unheil!“ In diesem Äußeren Zeichen bitte ich Donar, den wehrhaften Schützer des Versammlungsfriedens, diesen Ort von unreinen Geistwesen und von Unfrieden zwischen den Menschen verschont zu halten.

2.1.2 Opferung

Ich fülle nun den mitgebrachten Opfermet in ein Trinkgefäß. Den gefüllten Becher halte ich also nun hoch und biete ihn Wodan zum Opfer an. Ich spreche: „Wodan, Herr des Wissens und der Weisheit! Dich rufe ich, dich bitte ich um Erkenntnis. Ich möchte gerne die Nähe der Götter Germaniens kennenlernen. Was an mir liegt, will ich dazu tun, was ich dazu nicht vermag, darum bitte und opfere ich.“ Ich nehme dann, zum Zeichen der Verbundenheit, einen Schluck aus dem Opferbecher und gieße einen weiteren Schluck auf die Opferstelle. Sind weitere Personen beteiligt, so gebe ich das Gefäß weiter mit den Worten „Trink Heil“. Der Andere nimmt es und antwortet: „Sei heil!“ Dann tut er mir nach, bringt sein Anliegen vor die Hohen und opfert darum. Derjenige, der angefangen hat, beendet die Runde mit dem Gebet: „So ist es geopfert, So ist es gesagt. Gabe um Gabe, Treue um Treue Heil um Heil So soll es sein!“ Darauf nimmt er einen letzten Schluck und opfert den Rest in gleicher Weise. Bevor ich mich von dem Ort zurückziehe danke ich im Stillen oder hörbar den Wesen des Ortes. Dann gehe ich ruhig von dannen.

2.1.3 Erklärung

2.1.3.1 Opferort
Die Opferstelle ist hier als Niederlegungsopfer beschrieben: Eine Opfergabe wird der Natur und damit den Naturgöttern gegeben, indem sie in der Natur niedergelegt wird. Ebenso ist natürlich das Brandopfer möglich, in dem die Gabe dem Feuer übergeben wird. Der aufgeklärte Heide beachtet jedoch das Verhalten hochprozentiger Trankopfer in heißer Glut: Schon ein 15%iger Met schafft eine hübsche Stichflamme...
2.1.3.2 Opfergabe
Hier vorgestellt ist ein Trankopfer, wie es auch aus alter Zeit überliefert ist. Trankopfer sind sehr geläufige Opfer, die im Alltag vielfältig einzubauen sind. Natürlich können auch Speisen oder Gegenstände geopfert werden. Immer ist ein Opfer eine Ehrengabe, etwas besonderes, das dem Gebenden ein würdiges Geschenk erscheint. Bei Trankopfern muß es nicht immer Met sein:Auch gutes Bier, Wein oder andere Getränke, an denen ich mich freue, sind gute Gaben. Immer richte ich das nach der Frage: Würde ich einem verehrten Freund in dieser Situation das anbieten? An einem Heißen Tag in der Wildnis teile ich auch gerne mein Trinkwasser mit den Göttern. Es ist mir da sehr wertvoll und durchaus ein Würdiges Geschenk in dieser Situation.
2.1.3.3 Ritualbecher / Ritualgeschirr
Mit der Zeit haben viele Heiden einen besonderen Becher oder ein Trinkhorn für diesen Zweck ausgesucht. In meiner Familie ist das ein Keramikbecher nach bronzezeitlichem Vorbild, der ansonsten auch bei Festen als Trinkgefäß Dienst tut. Er ist einfach schön, wertvoll und groß genug für eine ganze Trinkrunde.
2.1.3.4 „Trink Heil / Sei heil“
Diese Ansage / Antwort hat folgende Bedeutung: „Trink Heil“ verweist darauf, daß das gemeinsame Opfern eine Heilstat ist. Den Becher weiterzureichen, anzubieten, ist eine Einladung, an diesem Heil Anteil zu haben. „Trinke aus dem Opferbecher und habe damit von unserem Heil.“ Das sagt der Einladende. „Sei heil“ ist die Antwort auf das Eingeladensein und bedeutet: „Das Heil will ich nicht nur für mich erwirken, ich will es für uns gemeinsam.“

3 Grundrituale und Grundgebete

3.1 Vorbemerkung

Nachdem ich in vorangegangenen Kapitel ein Trankopfer vorgestellt habe, möchte ich nun, als weitere Ritualform das Brandopfer mit seinen Elementen darstellen. Besonders zu den Sonnenfesten, die ja die Hauptfeste unseres Glaubens sind, ist das aufwendige und festliche Brandopfer eine schöne und würdige Art, die Hohen zu ehren. Es geht im Folgenden um den grundsätzlichen Ablauf des Opfers. Allerdings wiederum als zeremonielle Handreichung, nicht in dem Sinne, daß ein Ritual nur durch die exakte Einhaltung der gegebenen Worte und Handlungen „gültig“ sei. Insgesamt ist die Frage erörternswert, was ein Ritual „gültig“ macht und was „Gültigkeit“ eines Rituales überhaupt bedeutet. Wer jedoch diesen eher theologisch-theoretischen Diskurs später über sich ergehen lassen möchte, der springe nun an das Ende der Vorbemerkung und lese dort weiter. Der Begriff der Gültigkeit verweist grundsätzlich auf einen Bezug, innerhalb dessen die Gültigkeit gegeben sein kann. Dabei heißt „Gültig“ = „anerkannt, wirksam“. Die Frage des „anerkannt“ zieht naturgemäß die Frage nach sich, wer denn die Anerkennung nun leisten kann oder muß, damit eine Gültigkeit gegeben ist. Wenn wir in der Naturreligion von einem Ritualbegriff ausgehen, der, wie oben dargelegt, einen inneren Vollzug durch ein äußeres Zeichen vergegenwärtigt, so ist die Anerkennung und damit die Gültigkeit zwischen dem Zeichensetzenden und dem Zeichensehenden auszuhandeln. Das äußere Zeichen, so postuliere ich, ist aber mehr für den Zeichensetzenden als Möglichkeit der Handhabung seines eigenen inneren Vollzuges notwendig. Die Götter sind, als überlegene Geistwesen, durchaus in der Lage, eine Vielzahl von Spielarten der Zeichensetzung zu deuten und zu verstehen. Ja selbst wilde Tiere verstehen das archaische Zeichen des Futterniederlegens als friedvolle Geste und lassen sich so zur Kontaktaufnahme mit den nicht immer friedvollen Menschen bewegen. Zum Anhaltspunkt kann ich annehmen, daß ein Ritual immer dann als „gültig“ anzusehen ist, wenn es so hinreichend schlüssig ist, daß andere Menschen, die es nicht kennen, es als friedvolle Geste des Gebens erkennen.

3.2 Brandopfer

3.2.1 Ritualleiter

Ein Mensch aus der Opfergemeinschaft wird Ritualleiter sein. Seine Funktion ist nicht „Priester“ zu sein, also eine besondere „Weihe“ zu haben oder „Einweihung“. Ganz trivial ist es immer in einer Gruppe so, daß einer anfangen muß: Mit dem Entzünden des Feuers, mit dem Rumgeben des Bechers, mit Gebeten. Ist da einer, der den Ablauf vollzieht, so können die anderen sich eher fallenlassen in die Begegnung mit den Hohen, in ihre Bitten und ihren Dank, ihre Gefühle. Eine jede Gemeinschaft wird sich ihren Leiter auswählen. Am besten macht es der, der am besten Reden kann. Wie gesagt: Diese Funktion ist ein Dienst, keine Vorrangstellung.

3.2.2 Opferplatz vorbereiten

Als Opferplatz suche ich mir einen Platz, an dem eine Feuerstelle besteht oder eingerichtet werden kann. Daß ich dabei verantwortungsvoll vorgehe, ist selbstverständlich. Am schönsten ist es sicherlich, wenn ich mit der Opfergemeinschaft am Feuer sitzen bleiben kann, bis es verloschen ist oder die Gegebenheiten es erlauben, es sich selbst zu überlassen. Die Verantwortung für Natur und Umwelt steht jedoch im Vordergrund, sodaß ich darauf eingehen werde, wie würdevoll mit dem verlöschenden Opferbrand verfahren werden kann.
3.2.2.1 Feuerstapel
Mitten auf dem Opferplatz errichte ich nun den Feuerstapel1. Ich lege ihn so an, daß die Opfergemeinschaft um den Stapel ruhig stehen kann und nicht zu viel Hitze abbekommen wird. Der Feuerstapel wird so eingerichtet, daß er gut entflammt und genug Hitze bietet, das geplante Speiseopfer restlos zu verbrennen. Auch sollte er einige Gläser Getränk verkraften. Gut bewährt hat sich im inneren fein gespreißeltes, unbehandeltes Kistenholz und da herum Buchenscheite, wie man sie im Kamin verbrennt. Unter dem Kistenholz einige Handvoll Stroh oder Papier tun einen guten Dienst und wer sich unsicher ist verwendet etwas „traditionell germanischen Brandbeschleuniger“ in Form von gutem, ökologischen Lampenöl.2 Insgesamt werden so zehn Kilo Holz hinreichend sein.
3.2.2.2 Ritualtisch und Opfergaben
Zum Opfer müssen einige Dinge bereitgehalten werden: Die Opfergabe(n), ein Opferbecher, Getränk, Feuer, Fackel und ein Thorshammer. Dazu ist es zweckmäßig, einen niedrigen Tisch unweit der Feuerstelle bereitzustellen. Am besten so, daß er im Rücken des Ritualleiters steht oder wie ein Teilnehmer im Kreis neben dem Ritualleiter. Dieser Tisch wird geschmückt, schließlich wollen wir Geschenke für sehr wertvolle liebe Freunde bereitlegen: Für die Götter. Nicht immer kann man einen Tisch mitnehmen, ein Brett auf vier großen Steinen oder Holzscheiten tut es auch wenn ein schönes Tuch es bedeckt. Zum Anzünden der Feuerstapel braucht es Feuer. Streichhölzer sind fein, aber stimmungsvoller brennt auf dem Ritualtisch eine Kerze. Die Flamen müssen in das Stroh gebracht werden. Eine Fackel aus einem hinreichend langen Hölzchen mit Wattewicklung an einer Seite und etwas Lampenöl ist sicher und wirksam. Die gemeinsame Opfergabe besteht aus einem Holzteller mit einer Portion der anschließend gemeinsam verspeisten Mahlzeit. Andere Opfergaben liegen so bereit, daß derjenige, der sie opfern möchte, sie gut greifen kann. Oft habe ich erlebt: Sorgen auf Papier geschrieben, ein selbstgebundener Kranz aus Blumen, ein Tagebuch, Zeichen hinter sich gelassener Sorgen und Nöte... Es hat sich mei uns eingebürgert, daß wir Dinge, die uns als Symbol wichtig geworden sind, zum Schmuck auf den Ritualtisch stellen: Eine Devotionalfigur, ein besonderes Bild, ein Erbstück... Diesen geschmückten Tisch lassen wir dann über die ganze Feier, die bei uns drei Tage dauert, bestehen.
3.2.2.3 Opferkreis
Der Opferkreis ist so groß, daß jeder gut stehen kann. Bitte beachten: Ein Ritual kann eine Stunde dauern und nicht jeder kann so lange stehen. Ggf Sitzgelegenheiten für „Fußkranke“ vorsehen. Sind Lieder vorgesehen, hat jeder auf seinem Platz ein Textheft und ggf eine Kerze, falls es dunkel wird. Die vier Himmelsrichtungen werden markiert. (Unauffällig)

3.2.3 Ritualablauf

3.2.3.1 Versammlung
3.2.3.1.1 Handeln
Alle versammeln sich ruhig und ohne profanes Geschwatze im Kreis. Streitigkeiten sind beigelegt. Handys sind aus, Zigaretten ebenfalls. Leider muß ich es sagen: MP3-Player sind auch aus und weggepackt.3 Ist ein Musikant anwesend, kann er die Zeit des Aufstellens mit ruhiger Musik begleiten. Sind in dem Kreis Rituallieder bekannt, so kann man gut ein getragenes, meditatives Lied anstimmen, in das jeder einstimmt, der dem Kreis beitritt.
3.2.3.1.2 Verstehen
Wir versammeln uns, mit hochgestellten Persönlichkeiten Kontakt zu haben. Eine gewisse äußere Form der Ehrerbietung hilft der inneren Sammlung und Ruhe. Das Opfer nimmt eine Sache aus dem Profanen und gibt sie in das Heilige. So sollten wir auch die Zeit bewußt aus dem Profanen herausnehmen. Die letzten Fußballergebnisse oder die Bewältigung der Bankenkrise kann ich wirklich an einem anderen Zeitpunkt besprechen. Auch die Rettung der Welt kann noch warten: Diese Zeit gehört den Göttern und der Opfergemeinschaft. Einzig akute Unfälle (inklusive weinendes Kind) kann jetzt noch interessieren. Auch die Kleidung sollte angemessen sein: Selbst als Fan von deutlich getragenen Arbeitshosen als adäquate Freizeitkleidung spüre ich das Verlangen, den Göttern in sauberer und (für mich) schöner Kleidung entgegenzutreten.
3.2.3.2 Eröffnung
3.2.3.2.1 Handeln
Der Ritualleiter (RL) begrüßt alle förmlich im Kreise. Er nennt den Grund des Opferfestes und lädt ein. Regieanweisungen (z.B. „Liedhefte liegen Euch zu Füßen“) haben hier ihren Platz. Auch eine Einladung zum anschließenden Festessen passt hier her.
3.2.3.2.2 Verstehen
Die Eröffnung ist etwas, das der Mensch braucht, um gemeinsam mit etwas zu beginnen. Auch, wenn man den Ganzen Tag schon miteinander verbracht hat, ist es gut, im Kreis zu sagen „Ich freue mich, daß wir hier jetzt das Opfer zusammen beginnen können. Ich danke den Hohen für das gute Wetter …“ Fehlt das, so „fällt das Ritual auseinander“. Das heißt, die Menschen können sich nicht synchronisieren, haben nicht den gemeinsamen Start. Bei jedem Manschaftspiel gibt es diesen ritualisierten Beginn, an jedem Arbeitsplatz sagt man, wenn man vom Mittagstisch gemeinsam aufsteht „Na, dann wollen wir mal wieder!“ und fängt so zusammen wieder an. Deswegen hier auch dieses Element des gemeinsamen Anfangens.
3.2.3.3 Einhegung
3.2.3.3.1 Handeln
RL nimmt den Thorshammer in die Hand, geht aus dem Kreis heraus an den nördlichen Punkt. Er streckt den Hammer in die Höhe und betet: „Donar, Weihegott Weihe diesen Ort und Schütze ihn von Norden her. Bewahre uns vor Streit und Lüge Und wehre allem Unheil!“ Alsdann geht er an den westlichen / südlichen / östlichen Punkt und wiederholt das Gebet mit den jeweiligen Himmelsrichtungen. Danach tritt er in den Kreis, streckt den Hammer nach oben und betet: „Donar, Weihegott Weihe diesen Ort und Schütze ihn von oben her. Bewahre uns vor Streit und Lüge Und wehre allem Unheil!“ Gleiches tut er, den Hammer erdwärts gerichtet.
3.2.3.3.2 Verstehen
Donar ist der Schützer der Versammlung. Er ist der Bezwinger der Mächte des Chaos. Ihm vertrauen wir uns an, wenn wir uns für das Opfer versammeln. Im Opferritual öffnen sich viele Menschen in einer besonderen Weise. Es treten geheime Wünsche, Ängste, Sorgen offen hervor und genau das ist es ja, womit wir den Hohen entgegentreten wollen: Hemmungslose Offenheit, ohne Maske und Verstellung. Somit sind wir aber verwundbar, angreifbar. Im Opferritual darf geweint werden. Wir machen uns wehrlos und bedürfen des Schutzes. Wir bedürfen auch der Weihe der Gemeinschaft, die sich klar sein muß, daß nichts von dem, was hier zutage tritt, außerhalb weitergegeben oder zum Unheil missbraucht werden darf. Aus diesem Grunde rufen wir also Donar an. Er möge unheilvolle Geistwesen und den Ungeist und Zwietracht von uns fernhalten. Unter sein Gericht und Urteil stellen wir uns, sollten wir die zutagetretende Schwäche eines anderen ausnutzen oder auch nur belächeln.
3.2.3.4 Anrufungen
3.2.3.4.1 Handeln
Der RL tritt in den Kreis und ruft die Gottheiten an, die zu dem Opferfest eingeladen werden sollen. Dies kann ein vorbereiteter Text sein, oder aber freie Rede. Beispiel: Der RL betet: „Wodan, Weiser Walvater, Freyja, holde, Liebende Ihr Disen, Ihr schützenden wir rufen Euch herbei zu unserer Feier! Seid mit uns an diesem Opferfest Und nehmt Teil an unserer Gemeinschaft. In einer vertrauten Gemeinschaft kann der RL dann auch in die Runde schauen, ob noch ein anderer Teilnehmer eine Gottheit, der er in diesem Opfer eine Gabe darbringen möchte, anrufen mag.
3.2.3.4.2 Verstehen
Die Anrufungen sind Einladungen an die Götter, sich dem Kreis anzuschließen. Das mag seltsam klingen, schließlich sind es ja Götter, die unsere Einladungen nicht nötig haben. Aber schlußendlich möchte jeder doch gerne eine höfliche Einladung haben. Es ist also ein Zeichen des Respektes.
3.2.3.5 Feuer entzünden
3.2.3.5.1 Handeln
Der RL nimmt die Fackel zur Hand, entflammt sie an der Altarkerze und wendet sich dem Feuerstapel zu. Er singt / betet: „Donar, Weihegott, Dir sei der Ort Das Feuer hier, und unser Wort Den Hohen sei all das geweiht Fern aller Hader, aller Streit Wer Waffen trägt, leg sie beiseit Zum Opferfest, macht den Platz bereit Den Opferbrand wir nun entzünden Daß Flammen künden Die neue Zeit! Dann senkt der RL die Flamme in den Feuerstapel und entfacht damit das Feuer. Während das Feuer wächst, kann man gemeinsam ein Lied singen oder in stillem Gedenken verharren. Anmerkung: Wenn das Feuer nicht angehen will, so lernt man daraus, daß gutes Gelingen eine gute Vorbereitung braucht. Jenseits dessen hat man etwas zur Hand, was das Entflammen beschleunigt. Bitte!!!! Keine leichtflüchtigen Flüssigkeiten!!!! Es sterben zu viele Menschen an solchen Dingen!!! Hat man das nicht, so muß man eben Hand anlegen und das Feuer nochmals vorbereiten. Der Kreis ist geschlossen und bleibt es! Es wird nicht „solange nochmal eine geraucht“ oder in Profanes verfallen.
3.2.3.5.2 Verstehen
Das Feuer ist die heilige Mitte des Opfergeschehens. Es ist das Transportmedium, mittels dessen die Opfergaben in den Kreislauf der Natur und damit an die Naturgötter übermittelt werden. Überdies ist das Feuer der Sammelpunkt für die Menschen. Seit archaischer Zeit sammeln sich die Menschen um das Feuer, um dort Wärme, Nähe, Geborgenheit und Sicherheit zu erfahren. Diesen Archetypen nutzen wir, wenn wir im Opferfeuer Gaben übergeben. Das Feuer als Sammelpunkt der Asen, Ahnen, Vanen und Anwesenden wird zum Gemeinschaftsraum, in dem die Begegnung stattfinden kann. In diesem Zusammenhang wird durch das Entzünden des Weihefeuers ein heiliger Raum geöffnet, in dem wir nur die herbeigerufenen haben mögen. Darum stellen wir auch dieses Feuer unter den Schutz unseres Hüters Donar, so wie wir den Opferplatz zuvor ihm anvertraut haben. Und da auch hier wieder die Gemeinschaft der Opfernden als eine Oase der Geborgenheit notwendig ist, wird beim Entzünden des Feuers jede Art von Waffe gebannt. Kein grollender Gedanke, kein böses Wort soll mehr Platz haben und keine Waffe, kein Messer, Schwert, oder sonstiges Leidzufügegerät hat in diesem Kreis etwas zu suchen. Hier herrscht nun der Sippenfrieden. Ich weiß, daß es Heiden gibt, die als Zeichen der „Mannhaftigkeit“™ meinen, eine Ritualwaffe führen zu müssen. Was ein Leidzufügegerät bei einem Heilsfest zu suchen hat, erschließt sich mir allerdings nicht. Ausnahme bilden hier Waffen, die innerhalb eines Rituales gebraucht werden: Beispielsweise, wenn bei einer Jugendleite ein Messer als Zeichen der Aufnahme in den Kreis der Erwachsenen überreicht wird, so muß diese Waffe eben bis zur Überreichung auf dem Ritualtisch Platz nehmen. Eine Ausnahme ist auch denkbar, wenn, was leider ja vorkommt, ein Heide zum Auslandseinsatz in ein Krisengebiet verabschiedet wird. (Wir wollen nicht an dieser Stelle über Wehrdienst diskutieren, aber auch Heiden gehen mitunter zur Bundeswehr.)
3.2.3.6 Opferung
3.2.3.6.1 Handeln
Der RL nimmt die gemeinsame Opfergabe auf und hält sie empor. Er bringt das gemeinsame Opferanliegen mit eigenen Worten vor die Götter und legt den Opferteller alsdann in die Flammen. Danach lädt er die Opfergemeinschaft ein, daß jeder, der etwas zum Opfer mitgebracht hat, dies jetzt opfere.
3.2.3.6.2 Verstehen
Die Opferung ist ein recht einfacher Akt, der durch seine Symbolik ohne viele Worte alles ausdrückt. Es ist zugleich der schwierigste Akt für den RL, weil er die Opfergemeinschaft so gut kennen, so sehr ihr Sprecher sein muß, daß er das Anliegen der Gemeinschaft in Worte zu fassen vermag. In unserer Gemeinschaft dauern die vier großen Opferfeste drei Tage, das Opfer ist am Ende des zweiten Tages. Der Charme dieses Umfanges ist, daß ich als RL nach 1 ½ Tagen mit und in einer Gemeinschaft die richtigen Worte zu finden weiß. Grundsätzlich ist ein Opferfest aber eine gemeinsame Angelegenheit, sodaß eine gemeinsame Vorbereitung sehr wünschenswert ist. Der RL braucht dann nur noch auszuformulieren, was ihm gesagt wurde. Er ist insofern ein echter Diener. Um ein Beispiel zu nennen, wie ein solches Opfergebet aussehen könnte, skizziere ich hier das Gebet zu einer Julfeier unter der Annahme, daß „Knut“, ein Kind der Gemeinschaft, ernsthaft krank ist: Der RL betet: „Baldur, Lichtgleicher, heller Gott. In der dunkelsten Nacht opfern wir Dir Wir bringen von der letzten Ernte und bitten um neues Licht Wir stehen in dunkler Kälte, und vertrauen auf neue Wärme. Wodan, Heiler, Weiser, Wir bitten um Wissen und Weisheit für die Ärzte, die Knut behandeln Wir bitten um Heilung und Heil. Donar, starker Kämpfer! Von Dir erbitten wir Kraft für Knut und seine Eltern. Dafür Opfern wir und versprechen, Daß wir tun wollen, was an uns liegt.“ Der Gedanke hinter diesem Gebet ist einfach zu erkennen: Die Götter, deren besondere Eigenschaft ich benötige, rufe ich und trage mein / unser Anliegen vor. Ganz direkt, ohne Poesie und Umschweife. Die anderen Teilnehmer, die „privat“ etwas Opfern wollen, können dies ebenso mit einem offen vorgetragenen Opfergebet tun, oder auch still.
3.2.3.7 Sumbel
3.2.3.7.1 Handeln
Der RL nimmt den Ritualbecher auf, spricht einen Trinkspruch auf die Götter, nimmt enen Schluck und opfert von dem Trunk. Danach reicht er den Becher weiter mit den Worten „Trink Heil“. Der Teilnehmer, der den Becher annimmt, antwortet „Sei heil“ und tut dergleichen. So geht der Becher reihum. Wer sich einem vorgetragenen Spruch, einer Bitte oder einem Dank anschließen möchte, kann das tun, indem er nach dem Spruch, der Bitte oder dem Dank antwortet „Heja!“ oder „Heil!“ Ist der Becher wieder beim RL spricht dieser einen Trinkspruch auf die Ahnen und die Runde geht in beschriebener Weise durch. Es folgt eine dritte Runde, mit freien Gebetsanliegen, Bitte oder Dank. Ist der Becher zum Schluß beim RL schließt dieser die Runde mit einem Gebet ab. Beispielsweise: „So ist es geopfert, So ist es gesagt. Gabe um Gabe, Treue um Treue Heil um Heil So soll es sein!“ Darauf nimmt er einen letzten Schluck und opfert den Rest in gleicher Weise.
3.2.3.7.2 Verstehen
Im Sumbel folgen wir einer sehr alten Sitte: Dem weitererzählen von Taten und dem spontanen Opfern. Wenn wir auf die Götter und die Ahnen einen Trinkspruch ausbringen, um deren Taten zu vergegenwärtigen, dann sorgen wir dafür, daß der Tatenruhm weiterlebt. „Trink Heil, Sei heil“. An dieser Stelle wiederhole ich den oben in gleichem Zusammenhang beschriebenen Text. Diese Ansage / Antwort hat folgende Bedeutung: „Trink Heil“ verweist darauf, daß das gemeinsame Opfern eine Heilstat ist. Den Becher weiterzureichen, anzubieten, ist eine Einladung, an diesem Heil Anteil zu haben. „Trinke aus dem Opferbecher und habe damit von unserem Heil.“ Das sagt der Einladende. „Sei heil“ ist die Antwort auf das Eingeladensein und bedeutet: „Das Heil will ich nicht nur für mich erwirken, ich will es für uns gemeinsam.“
3.2.3.8 Abschluß
3.2.3.8.1 Handeln
Zum Abschluß Beten alle gemeinsam ein Gebet oder Singen ein Lied. Beispielsweise das Erkenntnisgebet: Ich erkenne die Asen und Vanen als hochheilige Götter, die ich im Opfer verehre. Mein Leben richte ich gemäß der Sitte der Ahnen. Im Vertrauen auf die heilsspendenden Götter In Verantwortung für mich und meine Sippe. Mögen meine Nachkommen ruhmreiches Urteil über mich richten. Entstammend den Göttern Erhalten von den Göttern Getragen von den Göttern Vertraue ich darauf, dereinst mit den Ahnen, Asen und Vanen in Gemeinschaft vereint zu sein. Der RL lädt danach zum Gemeinsamen Festmahl, oder was immer geplant ist, ein.
3.2.3.8.2 Verstehen
Die Handlung ist selbsterklärend. Das gemeinsame Gebet ist eine Affirmation, die die Gemeinschaft zusammenfügen soll und den Charakter als Glaubensgemeinschaft nochmals vor die Hohen und die Ahnen bringt.
3.2.3.9 Verlöschen
3.2.3.9.1 Handeln
Kann das Opferfeuer nicht friedlich ausbrennen sondern muß aus Sicherheitsgründen oder der Hysterie der neuen Zeit halber verlöscht werden, so wartet man, bis die Gaben verbrannt sind. Alsdann häuft man Erde über den Opferbrand und gießt Wasser darauf. Findet das alles in einer Feuerschale statt, so bringt man die Asche, mit samt der Erde an einen geschützten Ort, wo es nicht wie Müll abgelagert wird. Beispielsweise unter einem Baum im Wald. Oder auf einer Waldlichtung. Oder man vergräbt es vor Ort. Während der RL und evtl ein Helfer das Besorgen, verweilt die Gemeinschaft in Stille und schaut zu.
3.2.3.9.2 Verstehen
Wir haben mit diesem Opferbrand unseren Hohen ein Opfer dargebracht. Diese Handlung ist heilig, also Heil bewirkend. Die Asche selbst brauchen wir nicht als heilig zu betrachten, denn das Tun ist das, was Heil verspricht. Dennoch sollen die Überreste nicht wie Müll enden oder gar von nichtwissenden zertreten oder bestochert werden. Sie sollen Ruhe finden und in den Kreis des Werdens und Vergehens eingehen. Wichtig: Über den Verbleib des Opferbrandes mache ich mir vorher Gedanken, nicht, wenn es soweit ist. Als aufgeklärter Heide sichere ich mein Tun ab und habe, falls nötig, hinreichend Wasser bereitgehalten. Ebenso habe ich ggf. einen Verbleibsort ausgesucht und ggf ein Loch ausgehoben, um die Asche dorthin zu verbringen.